Unendliche Weiten …


„Zwischenmenschlichkeit – unendliche Weiten… Wir schreiben das Jahr 2017. Dies sind die Abenteuer der Charlie Namiboo, die mit unerschütterlichem Mut seit 8 Jahren in SL unterwegs ist, um eine unbekannte virtuelle Welt zu erforschen, neue Freunde zu finden und zahlreiche Erfahrungen zu sammeln. Meilenweit von jedweder Vernunft entfernt, dringt Charlie dabei in Tiefen der menschlichen Psyche vor, die nie ein anderer zuvor gesehen hat.“

So oder so ähnlich könnte der Prolog meiner eigenen Serie lauten, wenn mir denn je ein Sender eine widmen würde 😉 Aber ja, bei den Gedanken, die ich mir in den letzten Monaten um genau dieses Thema gemacht hab, könnte man locker einen Zehnteiler drehen …

Dabei bin ich gar nicht so wagemutig wie es nun im Einstieg geklungen hat. Im Gegenteil, ich liebe eine gewisse Beständigkeit, insbesondere, wenn es um die Menschen geht, die mich umgeben. Denn auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick nicht so scheinen mag, bin ich in meinem tiefsten Innersten ein schüchterner und unsicherer Mensch, der sich unglaublich schwer damit tut, Freundschaften zu schließen und Vertrauen zu anderen Menschen zu fassen. Nicht falsch verstehen, ich unterhalte mich gern und bin gesellig, aber jemanden wirklich nah an mich ranlassen? Fehlanzeige. Das passiert dank einiger temporärer Weggefährten, die mich in jungen Jahren zutiefst verletzt haben, nur selten. Das gilt auch für SL. Gut, im virtuellen Raum bzw. im vermeintlichen Schutz der Anonymität kommt man über gewisse Dinge sicherlich eher mal ins Plaudern als im realen Leben, aber auch hier „kennen“ mich nur eine sprichwörtliche Handvoll Leute.

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Ich bin geprägt. Manchmal möchte ich es mit meinem Unfall vergleichen, den ich vor einigen Jahren überlebte. Da sind die äußerlichen Narben, die mich jeden Tag unter der Dusche daran erinnern, dass ich dieses Martyrium hinter mich gebracht hab, aber auch die inneren Verletzungen, die nicht offensichtlich sind. Der Bruch in der Hüfte, der nie operiert wurde, sondern von allein verheilte, zwickt heute noch, wenn die Wetterlage unbeständig wird.

Ähnlich geht es mir mit den Menschen. Wenn ich mich auf jemanden einlasse, dann bewusst und mit allen Konsequenzen. Dabei unterscheide ich nicht zwischen „echten“ und virtuellen Freundschaften. Ich kenne zwar genug Leute in SL, denen diese Differenzierung gelingt. Mir jedoch nicht, meine Gefühle kommen aus meinem Herzen und nicht aus einem Teil meines PCs, dem ich den Strom abdrehen kann. Vielleicht konnte ich deswegen auch nur zu einigen wenigen Menschen in SL eine wirklich enge Bindung aufbauen. Prinzipiell gehe ich erst einmal vom Guten in jedem Menschen aus, wohlwissend jedoch, dass ich in diesem Glauben immer wieder erschüttert werde. Darum bin ich vorsichtig, wem ich was erzähle und anvertraue. Wird das Band, welches man gemeinsam knüpft, enger, fange ich an mich zu öffnen, selbst auf die Gefahr hin, mich damit verletzbar zumachen.

Naturgemäß unterliegen alle Bindungen einem steten Wandel. Oft schreitet man nur eine gewisse Zeit lang zusammen auf einem Pfad, bis sich die Wege wieder trennen, oder der Kontakt bleibt bestehen und verliert lediglich an Intensität. Die Gründe hierfür sind vielfältig und spielen letztendlich nur eine untergeordnete Rolle. Doch ab und an kommt es zu Momenten, in denen mein Vertrauen in die jeweilige Person auf der Kippe steht. Das kann glimpflich ablaufen und es bleiben höchsten ein paar Kratzer auf der Oberfläche der Freundschaft zurück, die man nur wahrnimmt, wenn man genauer hinschaut. Oder aber es knallt richtig und dann läuft man Gefahr, die Freundschaft an den Baum zu fahren wie (m)ich damals mein Auto. Verletzungen können heilen, selbst die schwersten. Doch oft bleiben nicht nur Narben zurück, die irgendwann verblassen, sondern Risse und Brüche wie der in meiner Hüfte, der immer wieder weh tut und mich an jenen verhängnisvollen Tag vor 13 Jahren erinnert.

So sehe ich es auch in Bezug auf Beziehungen. Manche Ereignisse hinterlassen einfach so gravierende Spuren, dass sich alles ändert. Auch mein Vertrauen in eine Person … und dann gilt es zu entscheiden, gibt es noch eine weitere Chance oder lässt man es bleiben. Kann man den immer wiederkehrenden Schmerz ausblenden oder akzeptiert man die Einschränkungen, die damit einhergehen?

Bin ich ein unerschrockener Pionier und wage ich mich doch wieder weiter vor in die noch unerforschten Weiten der Zwischenmenschlichkeit oder lasse ich mein emotionales Raumschiff im sicheren Hafen?

In diesem Sinne, eine nachdenkliche Charlie

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